Judentum zwischen Spätantike und Aufklärung

Judentum zwischen Spätantike und Aufklärung
Judentum zwischen Spätantike und Aufklärung
 
Siedlungsschwerpunkte
 
Während in der Antike der Schwerpunkt jüdischer Ansiedlung im nahöstlichen Raum (Mesopotamien, Kleinasien, Palästina/Land Israel) lag, verlagerte er sich vom 6. Jahrhundert an allmählich Richtung Westen. Die jüdischen Gemeinden in Süditalien und Südfrankreich blühten auf. Mit der muslimischen Eroberung Spaniens im Jahr 711 wurde Spanien zu einem Zentrum jüdischen Lebens, bis die christliche Reconquista diesem im 15. Jahrhundert ein Ende setzte. Von Süditalien wanderten Juden Richtung Norden, nach Nordfrankreich und Deutschland. Die ersten Spuren kontinuierlicher Anwesenheit von Juden in Deutschland gehen auf das 10. Jahrhundert zurück. Von hier wanderten sie Richtung Osten. Vertreibungen und Zuwanderungen vom Balkan verstärkten die jüdische Gemeinschaft in Osteuropa. Im 16. und 17. Jahrhundert war Polen neben dem osmanischen Reich größtes jüdisches Zentrum. Hier hatten die 1492/96 aus Spanien und Portugal vertriebenen Juden Zuflucht gefunden. Andere wandten sich nach Nordafrika, vor allem in den Maghreb. Vertreibungen führten zum Ende jüdischer Anwesenheit in England (1290), Frankreich (1394; nicht aus dem päpstlichen Besitz um Avignon!) und Süditalien (1541). Deutschland war eines der wenigen europäischen Gebiete, in dem Juden vom 10. Jahrhundert ununterbrochen bis zur Zeit der Aufklärung leben konnten. Die föderalistische Struktur des Reiches ließ ihnen Zufluchtsorte offen, die in den Staaten mit starker Zentralgewalt nicht vorhanden waren. Mit der Aufklärung sollten die Juden des deutschsprachigen Raums wichtige Funktionen bei der Modernisierung des Judentums bis ins 20. Jahrhundert übernehmen.
 
 In Babylonien und im Land Israel
 
Die Entstehung des Christentums war zu seiner Zeit kein bedeutendes Ereignis für die jüdische Geschichte. Einige Juden hielten sich in verschiedenen Epochen für den Messias. Auch existierte schon seit der Deportation der Juden nach Babylon im Jahr 586 v. Chr. die jüdische Diaspora. Für die Juden bedeutend wurde das Christentum erst als Staatsreligion im Römischen Reich (4. Jahrhundert). Zur selben Zeit grenzte sich die christliche Kirche immer schroffer gegen das Judentum ab. Die byzantinischen Kaiser erließen viele Bestimmungen, die zum Ziel hatten, den gesellschaftlichen Umgang von Juden und Christen zu verringern und den schlechteren Status der jüdischen Religion öffentlich hervorzuheben. Justinian schützte zwar die Synagogengebäude, gestattete die Beschneidung und gewährte den Juden eine interne Rechtsprechung, doch durften sie keine öffentlichen Ämter ausüben (425), keine christlichen Sklaven halten, keine Konvertiten aufnehmen und keine neuen Synagogen bauen. Besonders judenfeindlich eingestellt war Kirchenvater Hieronymus (um 347—419). Aber auch Augustinus (354—430) war nur bereit, die Juden, die er als mit Blindheit geschlagen betrachtete, in einer schlechten Lage als »Zeugen des Sieges der christlichen Wahrheit« zu dulden. Die unter dem Titel »Adversus iudaeos« (gegen die Juden) zu bezeichnende Literatur wurde zu einem festen Bestandteil christlicher Tradition. Einige Päpste nahmen jedoch Juden gegen physische Übergriffe und Zwangstaufen in Schutz. Diese Vorschriften gegenüber Juden, 1215 erneut zusammengestellt, wurden nicht überall gleich streng durchgesetzt. In den neu missionierten Gebieten Europas befürchteten einige Bischöfe eine jüdische Konkurrenz, wie etwa Agobard von Lyon (769—840). Im nichtchristlichen Bereich geht allem Anschein nach ein nicht unbedeutender Teil der Juden Marokkos, Äthiopiens (Falascha), Südarabiens und Jemens auf jüdische Missionare zurück, die dort in der Spätantike und im Frühmittelalter gewirkt haben müssen. Ein Konvertit, König Jusuf Dhu Nuas aus dem südarabischen Haimar, führte 525 sogar Krieg gegen das Byzantinische Reich, weil es judenfeindliche Bestimmungen erlassen hatte.
 
In Mesopotamien und in Tiberias am See Genezareth befanden sich in der Spätantike bedeutende Gelehrtenschulen, durch die die »mündliche Lehre«, Kommentare zum biblischen Recht, weiterentwickelt und schließlich um 200 (Mischna) und 500 (Gemara) schriftlich festgelegt worden waren. Diese beide Teile bilden den Talmud, eine Art Enzyklopädie jüdischen Wissens, die neben Bibelexegese, philosophischen Abhandlungen, ethischer Literatur, Erzählungen (Haggada) auch Diskussionsprotokolle über rechtliche Fragen enthält. Der Talmud war und blieb die Basis der religiösen jüdischen Kultur bis heute. Zwei Versionen wurden formuliert, der umfangreichere babylonische und etwas vorher der unvollständig gebliebene Jerusalemer Talmud. Weiter entstanden aramäische Übersetzungen der Bibel, rabbinische Gleichnisse (Midraschim) und liturgische Gedichte (Piutim). Im römischen Palästina lag nach der Zerstörung des (zweiten) Tempels (70 n. Chr.) bis zum Jahr 425 der Sitz des jüdischen Patriarchen zunächst in Jamnia (heute Yavne), dann an anderen Orten. Er war der Vertreter der Juden beim römischen bzw. byzantinischen Kaiser. Auch in Mesopotamien existierte eine hierarchische Struktur der jüdischen Gemeinschaft, allerdings in doppelter Ausprägung: Der Nasi oder Exilarch entsprach dem Patriarchen des Römischen Reiches. Sein Amt hatte etwa bis zum Jahr 850 reale Macht. Nachher war es ein bloßer Ehrentitel. In gewisser Konkurrenz dazu befanden sich seit Ende des 6. Jahrhunderts die Vorsteher (Gaon) der Talmudhochschulen von Sura und Pumbeditha. Kriegerische Auseinandersetzungen beendeten im 11. Jahrhundert die Blütezeit der babylonischen Juden. Allerdings lebten sie dort ununterbochen bis zum Jahr 1948, dem Zeitpunkt ihrer Vertreibung durch die Baath-Partei. Als besonderes Zeugnis dieser Epoche hat sich die Synagoge von Dura-Europos (3. Jahrhundert) erhalten, die 1932 ausgegraben wurde und zur Überraschung der Archäologen reich ausgemalt war.
 
 Im islamischen Bereich
 
Wichtig für den entstehenden Islam war die Begegnung von Mohammed mit Juden auf der arabischen Halbinsel. Viele Elemente dieser älteren Religion übernahm er, so das Prinzip der Wallfahrten, des Fastens, des Ruhetages und einige Speisevorschriften. Zuerst sollten die Muslime Richtung Jerusalem und nicht Mekka beten. Allerdings sah der Islam das zeitgenössische Judentum als verderbte Religion an: Seiner Überzeugung nach hatte der Engel Gabriel den wahren Text direkt Mohammed offenbart. Juden und Christen wurden von den muslimischen Herrschern als »Schutzverwandte«, teilweise in Anlehnung an das ältere kanonische Recht, geduldet. Sie mussten in »demütiger« Weise eine Kopfsteuer sowie spezielle Abgaben zahlen und besondere Kennzeichen an den Kleidern tragen. Symbolisch zeigte sich ihr schlechterer Status darin, dass Juden keine Pferde reiten, Christen keine Glocken läuten durften. Nichtmuslimische Gotteshäuser mussten immer niedriger als die nächste Moschee gebaut sein. Auf die Beschuldigung der Blasphemie des Islams hin erfolgte die Zwangskonversion oder Hinrichtung. In der frühen Zeit (9.—11. Jahrhundert) waren die Lebensbedingungen für Juden in Bagdad und in Andalusien trotz dieser Einschränkungen relativ gut. Als Beispiel diene der in Mesopotamien lebende Religionsphilosoph Saadja ben Josef al-Faijumi (882—942), der in seinem Buch »Glauben und Wissen« eine jüdische Antwort auf die damalige arabische Hochkultur formulierte. Viele seiner Werke verfasste er in Arabisch, nicht Hebräisch, denn Arabisch war die Umgangssprache der Juden in Mesopotamien, das nun »Irak« genannt wurde. Diese kulturelle Nähe zwischen Islam und Judentum macht es schwierig zu entscheiden, ob beispielsweise in Bezug auf die Lehrmethode getrennte analoge Entwicklungen oder wechselseitige Beeinflussungen vorliegen. Aus Córdoba stammte der Arzt und Philosoph Moses Maimonides (1135—1204), der nach dem Einfall der maurischen Almohaden aus Spanien flüchten musste und in Fustat (heute zu Kairo) lebte. Er fasste das gesamte jüdische Recht in seinem Werk »Mischne Thora« (Wiederherholung der Lehre) zusammen, das zu den wichtigsten mittelalterlichen jüdischen Büchern gehört. Maimonides war stark von der aristotelischen Tradition beeinflusst und verfasste einen »Führer der Verirrten«, ein Buch, das die Probleme der Bibelexegese in rationalistischer Weise anging. Man spricht daher in der Forschung oft von der »mittelalterlichen Aufklärung« unter den Juden. Gegen diese Seite des Schaffens von Maimonides erhob sich Protest, doch blieben seine anderen Werke maßgeblich.
 
Juden betätigten sich in Spanien auch prominent am Übersetzungswerk der griechisch-römischen Autoren ins Arabische und Lateinische. Sie haben somit wesentlichen Anteil an der Schöpfung der »abendländischen« Kultur. Dies wird oft nicht entsprechend gewürdigt. Zur Blütezeit des Kalifats in Córdoba (9./10. Jahrhundert) waren Juden der Oberschicht Teil der höfischen Gesellschaft. Sie konnten eine Lücke bei den qualifizierten Berufen ausfüllen, die unter den erobernden Berberstämmen nur schwach vertreten waren. Zudem waren sie zu muslimischen Herrschern loyal, denn sie verfügten nicht wie Christen über ein Hinterland in Nordspanien, wo sich christliche Fürstentümer halten konnten. So betätigten sie sich als Berater, Verwaltungsexperten, Schreiber, Steuer- und Zollpächter, Astronome, Mathematiker, Ärzte und Dichter. Hier durften sie auch Grundbesitz erwerben. Typisch für ihre tief gehende Integration in die arabische Kultur war das Werk Jehuda ben Samuel Hallevis (1075—1144), der auf Hebräisch und Arabisch dichtete, oder das ethische Werk »Pflichten des Herzens« des Religionsphilosophen und Dichters Bachja ben Joseph ibn Paquda (11. Jahrhundert). Es gab sogar einen jüdischen General, Samuel ha-Nagid (993—1056). Die Mittelschicht betätigte sich im Handwerk als Schmiede, Maurer und Wollweber, aber auch im Textilhandel. Besonders die jüdischen Lederbearbeiter waren bekannt. In Spanien entwickelten sich regional unterschiedliche Formen der Liturgie, die auch Jahrhunderte nach ihrer Vertreibung von den Juden beibehalten worden sind.
 
 Juden im christlichen Spanien und in Portugal
 
Mit der christlichen Reconquista verschlechterte sich die Lage der Juden in Spanien nach dem Fall Toledos im Jahr 1085. Zwangsdisputationen verschärften die Gegensätze. Als Folge wandten sich viele spanische Juden der Innerlichkeit, der Mystik, der Kabbala, zu. Ein Hauptwerk ist hier Ende des 13. Jahrhunderts entstanden, das »Buch des Glanzes« (Sohar, verfasst wahrscheinlich von Mose Ben Schem Tov de Leon). 1391 kam es nach Hetzpredigten christlicher Geistlicher zu Ausschreitungen in Sevilla, die sich über die ganze Südküste bis nach Barcelona hinzogen. Die Judenviertel (juderías) wurden nun zu Zwangsquartieren. Viele Juden wurden zur Konversion gezwungen. Auch nach dem Abebben der Ausschreitungen wurde ihnen die Rückkehr zur jüdischen Religion nicht gestattet. Nun entstand das Phänomen der conversos: Einige dieser Neuchristen blieben insgeheim ihrem Judentum treu. Die spanische Kirche sah sich dadurch herausgefordert und erlangte 1481 beim Papst die Erlaubnis zur Errichtung einer Untersuchungsbehörde, der Inquisition. Diese zögerte nicht, Menschen lebendigen Leibes zu verbrennen. Der Kontakt zwischen den übrig gebliebenen Juden und den conversos diente als Vorwand zur Vertreibung der Juden aus Spanien im Jahr 1492. In Wirklichkeit diente sie der Durchsetzung königlicher Macht gegenüber den Adligen, die Juden oft in Schutz genommen hatten, und der Bereicherung des Besitzes der Krone. Die nach Portugal Geflüchteten wurden 1496 zwangsgetauft. Trotzdem blieb die spanisch-portugiesische Gesellschaft vom Geist der Inquisition geprägt. Ein allgemeines Denunziantentum entstand und kryptorassistische Vorstellungen waren weit verbreitet. Blutreinheitsstatuten (limpieza de sangre) wurden verordnet und Anwärter auf kirchliche oder Ordensämter mussten nachweisen, dass sie Generationen zurück nicht von conversos abstammten. In der Forschung wird diskutiert, ob die Inquisitionsprotokolle ernst genommen werden dürfen oder ob die durch Folter erpressten Geständnisse bloße Erfindungen sind. Nach einer erneuten Verschärfung der Inquisition in Portugal setzen sich um 1570 von hier zahlreiche Converso-Familien Richtung Frankreich ab. Die jüdischen Gemeinden von Bordeaux, Bayonne und Biarritz entstanden so. Um 1600 fanden conversos ihren Weg nach Amsterdam, wo die größte sefardische Gemeinde Nordeuropas entstand, und Hamburg sowie 1653 nach London. Nach einem biblischen geographischen Ausdruck bezeichnete man im Mittelalter die Iberische Halbinsel mit dem Ausdruck Sefarad. Davon leitet sich die noch heute verwendete Bezeichnung der Sefaradim oder sefardischen Juden ab. Allerdings wird der Begriff heute oft fälschlicherweise auf alle nordafrikanischen und orientalischen Juden ohne spanische Vorfahren angewendet.
 
 Juden im Deutschen Reich
 
Ein anderer biblischer geographischer Ausdruck, Aschkenas, wurde etwa zur selben Zeit mit Deutschland gleichgesetzt. Zur Karolingerzeit waren die jüdischen Fernhändler sehr angesehen. In lateinischen Urkunden wird oft nicht zwischen Kaufleuten und Juden unterschieden und Bischof Rüdiger von Speyer schrieb im 11. Jahrhundert, er wolle seine Stadt durch die Präsenz der Juden ehren. In Speyer, Worms und Mainz entwickelten sich bedeutende jüdische Gelehrtenschulen. Aus dieser Zeit haben sich in Worms der Friedhof — der älteste Europas — und die in großen Teilen 1961 rekonstruierte Synagoge erhalten. Hier entstand das aschkenasische Judentum, das noch heute die größte Gruppe unter den Juden bildet. Für das mitteleuropäische Judentum prägend waren die Statuten dieser drei rheinischen Gemeinden (Takkanoth Schum). Die bedeutendste Persönlichkeit war Rabbi Salomo ben Isaak (1040—1105), kurz Raschi genannt. Er kommentierte fast die gesamte Bibel und den Talmud. Aus dem nordfranzösischen Troyes stammend, wirkte er einige Jahre in Worms. In Nordfrankreich hatte sich eine weitere Gelehrtenschule gebildet, die »Weisen Zarfats«, das heißt Frankreichs. Ihr Werk floss in das Erbe des aschkenasischen Judentums ein, wie sich auch viele französische Juden durch die Vertreibungen im 14. Jahrhundert nach Deutschland wandten. Unter den Juden Deutschlands entwickelte sich eine elitäre Frömmigkeitsbewegung, die »Frommen Aschkenas«, deren Anführer Juda he-Chassid aus Regensburg (um 1200) war.
 
Die Judenviertel des frühen Mittelalters basierten auf Freiwilligkeit und waren nicht etwa aufgezwungen. Zudem befanden sich viele der frühen Judengassen in angesehenen Wohngegenden. Dies sollte sich mit der allgemeinen Verschlechterung des Rechtsstatus der Juden jedoch ändern. 1236 entwickelte Kaiser Friedrich II. die Ideologie von der Kammerknechtschaft der Juden. Er definierte sich als Nachfolger der römischen Kaiser, die die Juden nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem als Sklaven der kaiserlichen Kammer behandelten. Er wollte nun alleine — ohne den Papst — über das Recht, Juden anzusiedeln, verfügen. Dieses »Judenregal« verkauften die deutschen Kaiser in der Folge an kleinere Territorialherren. Daraus entwickelte sich der »Judenschutz«. Äußeres Zeichen für die Verschlechterung der Rechtslage waren auch die Zutaten zum Judeneid, die teilweise sehr diskriminierende Formen annahmen (z. B. Stehen auf einer Schweinehaut). Diese Eidformeln haben sich in vielen deutschen Staaten erstaunlicherweise bis Mitte des 19. Jahrhunderts erhalten.
 
Einen Einschnitt für die Geschichte der Juden im Deutschen Reich bedeutete die Verfolgung durch die Kreuzritter im Jahr 1096. Von diesem Schlag erholten sich die rheinischen Gemeinden erst allmählich im 12. Jahrhundert. Verfolgungen ereigneten sich 1298 in Franken und 1336/38 im Elsass, Schwaben und der Steiermark. Einen besonders tiefen Einschnitt bildeten die Zerstörungen im Gefolge des schwarzen Todes der Jahre 1348/49. Den Juden wurde unterstellt, durch Brunnenvergiftung schuld an der Pest zu sein. Hunderte jüdischer Gemeinden wurden zerstört und Tausende Menschen ermordet. Zwischen 1350 und 1519 drängte das erstarkende christliche städtische Bürgertum die überlebenden Juden aus Konkurrenzgründen endgültig aus den meisten deutschen Städten.
 
Hier war die Zunftverfassung stark entwickelt. Als christliche Brüderschaft konzipiert, ließen die Zünfte keine Juden zu. Deshalb finden wir im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Deutschland, im Gegensatz zu Osteuropa, keine jüdischen Handwerker. In Prag gab es zwar jüdische Zünfte, doch durften ihre Mitglieder nur für jüdische Kunden arbeiten. Vom 12. bis 15. Jahrhundert war der Geldhandel die in den Quellen am häufigsten belegte Tätigkeit der deutschen Juden. Städtische jüdische Ansiedlungen blieben nach 1519 nur noch in Worms, Frankfurt am Main, der Reichsburg Friedberg in Hessen und Prag auf der Basis kaiserlichen Schutzes übrig. Das Stadtpatriziat in Frankfurt drängte die Juden 1462 in die »Judengasse« ab und nahm damit die Entwicklung des Jahres 1516 in Venedig voraus, für die das Wort Ghetto verwendet wird. Die Ansiedlung auf dem Land wurde in Süddeutschland (Hessen eingeschlossen) und Elsass-Lothringen, aber auch in Böhmen und Mähren dominant. Ein anderer Teil der Juden wandte sich nach Osteuropa und Norditalien. Hierhin nahmen sie ihre Gruppensprache, das Jiddische, mit. In Italien übernahmen sie bald das Italienische, im polnisch-russischen Raum dagegen behielten sie das Jiddische bis zur Zerstörung des europäischen Judentums durch die Nationalsozialisten bei.
 
 Beziehungen zwischen Christen und Juden
 
Die Kirche haftete den Juden im 13. Jahrhundert das Odium des Wuchers an, obwohl auch christliche Händler immer Zinsen nahmen. Volkstümlicher Aberglaube unterstellte, Juden würden insgeheim Hostien schänden und kleine Kinder töten, um das Blut für ihre ungesäuerten Brote (Mazzot) zu verwenden, und überhaupt in Verbindung mit dem Teufel stehen. An vielen mittelalterlichen Kathedralen findet sich noch heute die Darstellung einer »Judensau«. Allerdings gab es im Bereich der Magie gegenseitige Berührungspunkte. Christen behalfen sich der angeblichen Kräfte jüdischer Amulette. Umgekehrt wirkten christliche Bräuche auch auf Juden. Das symbolische Sündenwegwerfen, das unter orthodoxen Juden zur Zeit der hohen Feiertage im Herbst üblich ist, soll auf einen Brauch von Kölner Christen zurückgehen wie auch das Anzünden eines »Jahrzeitlichts« für Verstorbene. Interessant ist auch, dass einige hebräische bzw. jüdisch-deutsche Ausdrücke in die allgemeine deutsche Umgangssprache eingingen. Dies ist schon seit Beginn des 16. Jahrhunderts zu beobachten.
 
Während die Humanisten ein positives Interesse am Hebräischen zeigten, Sebastian Münster (1488—1552) eine gewisse Meisterschaft entwickelte und Johannes Reuchlin (1455—1522) schwere hebräische mystische Schriften lesen konnte, gingen von der Reformation kaum positive Signale für die Juden aus. Während sich Johannes Calvin und Ulrich Zwingli mit Äußerungen über Juden und Judentum zurückhielten, brach der alternde Martin Luther 1543 in zornige Ausfälle aus (»Von den Juden und ihren Lügen«). Er wollte die Synagogen verbrennen, die Rabbiner vertreiben sowie die Juden zu schwerer Landarbeit zwingen. Die Fürsten nahmen seine drakonischen Vorschläge allerdings nicht ernst. Nur bei Landgraf Philipp I. von Hessens Judenordnung aus dem Jahr 1539 mag man schon frühe lutherische Einflüsse verspüren. Die Abgaben der Juden waren für die Fürsten und Ritter eine willkommene Geldquelle und überwogen theologische Ressentiments. Josel von Rosheim (um 1478—1554) wirkte zu Luthers Zeit als Interessenvertreter der Juden und hatte direkten Zugang zum Kaiser. Versuche, eine reichsweite Organisation der Juden aufzubauen, scheiterten jedoch zu Josels Zeit oder wurden verboten (1603).
 
 Wirtschaftliche Tätigkeit
 
Mit der Vertreibung aus den Städten suchten sich die Juden Nischen in der ländlichen Wirtschaft: Der Agrarhandel (Vieh-, Pferde-, Wein-, Getreide- und Hopfenhandel) breitete sich neben dem Hausieren allmählich aus. Sie nahmen im Gegensatz zu landläufigen Vorurteilen eine von ihren bäuerlichen Kunden erwünschte geographische Vermittlungsfunktion wahr und unterschieden sich von ihren christlichen Berufskollegen auch hinsichtlich der früher üblichen Lieferung auf Kredit nicht. Die Landjuden waren meist arm und nur ein breit abgestütztes Fürsorgewesen konnte den Ortsarmen und herumziehenden Bettlern eine kärgliche Existenz ermöglichen. Meist erhielten sie Leistungen in Form von Naturalien, einer Beherbergung für einen Tag bei einer jeweils anderen Familie. Durch die natürliche Vermehrung muss um die Mitte des 18. Jahrhunderts ein immer größeres Problem entstanden sein, das mit den herkömmlichen Strukturen fast nicht mehr zu lösen war. Einige völlig verarmte Juden, die das Schutzgeld nicht mehr zu bezahlen vermochten und deshalb kein Wohnrecht mehr hatten, schlossen sich Gaunerbanden an.
 
 
Im Milieu der Landjuden entstand eine jüdische Volkskunst: Geschickte Frauen verzierten Thorawimpel, die zum Zusammenhalten der Thorarollen aus Pergament dienten, mit bunten Stickereien oder stellten Mäntelchen und Kronen für sie her. An einigen ländlichen Orten wurden repräsentative Synagogen gebaut. Nur sehr wenige Beispiele sind nicht von den Nationalsozialisten zerstört worden, etwa die barocke Synagoge Ichenhausen in Bayerisch-Schwaben. Bunte barocke Wandmalereien haben sich in der kleinen Holzsynagoge zu Unterlimpurg im Stadtmuseum von Schwäbisch Hall erhalten. Reste finden sich in den renovierten Synagogen von Odenbach bei Kaiserslautern und in Mainz-Weisenau.
 
 Lebensbedingungen der Juden
 
In vielen Territorien entstanden »Landesjudenschaften«, meist ein fiskalisches Instrument der Obrigkeit zum Eintreiben der Judenschutzgelder und anderer Abgaben. Die Schutzherren waren hier sehr erfinderisch: Ein Leibzoll und höherer Warenzoll verschlechterte die Wirtschaftsbedingungen für jüdische Händler, neben den Schutzgeldern waren noch »Geschenke« an die Beamten und Abgaben an die politischen Gemeinden (Weide-, Brunnengelder), ja sogar an Pfarrer üblich. In den kleinen Reichsritterschaften galt ein »Schutzbrief« für alle jüdischen Familien eines Ortes. Hier konnte der jüdische Bevölkerungsanteil teilweise recht hoch sein. In Süddeutschland gab es einige Dutzend Orte, wo die Juden fast die Hälfte der Dorfbevölkerung ausmachten. Vereinzelt hatten sie sogar eine Art politisches Mitspracherecht (Orte in Bayerisch-Schwaben und Fürth). Der Schutzbrief wurde auf eine befristete Zeit (acht bis sechzehn Jahre) ausgestellt und konnte erneuert werden. Vertreibungen kamen nur noch lokal vor. Berühmtestes Beispiel ist diejenige von Wien, wo 1670 die meisten jüdischen Familien aus dieser Stadt ausgewiesen wurden. Ein Teil von ihnen bildete den Kern der damals neu entstehenden Berliner jüdischen Gemeinde. Auch bei Neugründungen von Städten wurden Juden beigezogen, hier wäre auf die Beispiele Mannheim (1660/92) und Karlsruhe (1715/22) hinzuweisen.
 
 Juden in Osteuropa
 
Die ersten Spuren fester Ansiedlung von Juden in Polen gehen auf das 11. Jahrhundert zurück. Hier boten sich ihnen bessere wirtschaftliche Möglichkeiten, da die Zünfte weniger stark ausgebildet waren. So betätigten sich Juden in Gewerbe und Handwerk. Die jüdische Elite pachtete vom polnischen Adel landwirtschaftliche Güter. Diese Arbeit erachteten die Aristokraten nicht als standesgemäß. Damit verbunden war oft eine Konzession zum Betreiben einer Schenke und zur Herstellung von Branntwein. Der jüdische Gastwirt wurde zu einer typischen Erscheinung der Berufsstruktur der Juden Osteuropas. Polen war zwischen 1500 und 1648 ein bedeutendes geistiges jüdisches Zentrum. Die Rabbiner Moses ben Israel Isserles (1525—72) und Salomo Luria (1510—73) leiteten als hoch angesehene Autoritäten Gelehrtenschulen mit internationaler Ausstrahlung. Die Großgemeinden Krakau, Lemberg, Lublin und Posen dominierten das jüdische Leben im Königreich Polen. Ihre Gemeindestruktur war im Großen und Ganzen dem Magdeburger Städterecht nachgebildet. Zwölf angesehene Juden bildeten den Vorstand. Jeden Monat diente ein anderer als Vorsteher. Die Versammlung der Haushaltsvorstände bildete eine Art Legislative und Wahlbehörde für die Fürsorgeinstitutionen. Religiöse Autorität waren die Rabbiner, die zu dieser Zeit meist von den Gemeinden angestellt wurden.
 
Ein fiskalischen Zwecken dienendes Gremium (Einzug der Kopfsteuer zugunsten der polnischen Krone), die Vierländer-Synode (so genannt nach den vier traditionellen polnischen Landschaften), entwickelte sich nach 1580 zu einem innerjüdischen Koordinationsinstrument, das bis 1764 bestand. Eine ähnliche Organisation existierte zwischen 1623 und 1761 unter den litauischen Juden, die ihr Zentrum in Wilna hatten. Im Gebiet der heutigen Ukraine hatte sich in den 1640er-Jahren ein heftiger Gegensatz zwischen ukrainischen Bauern und jüdischen Pächtern entwickelt, der im großen Kosakenaufstand von Hetman Sinowji Bogdan Chmelnizkij im Jahr 1648 zur Entladung kam. Dies bedeutete das Ende des »goldenen Zeitalters« für die Juden in Polen, wenn auch die zeitgenössischen Schilderungen die Auswirkungen der Pogrome etwas zu drastisch beschrieben haben. Ein Teil der Juden ließ sich in weiter östlich und nördlich gelegenen Gebieten (Litauen) nieder. Mit den polnischen Teilungen wurden sie nun österreichische, russische und preußische Untertanen.
 
 Juden in Italien
 
Süditalien war vom 9. bis 13. Jahrhundert ein jüdisches Zentrum. In Rom waren Juden sogar seit der Epoche von Kaiser Augustus ununterbrochen wohnhaft. Da das Königreich Neapel seit dem 15. Jahrhundert dynastisch mit Spanien verbunden war, wurden die Juden 1541 ebenfalls vertrieben. In Mittel- und Norditalien konnten sie dagegen weiter wohnen. Früher als für Polen kann hier von einer Blütezeit jüdischer Kultur (1230—1550) gesprochen werden. In Mantua im 16. Jahrhundert, in Livorno (seit 1597), einem Umschlagplatz des Levantehandels, und später in Venedig entwickelten die italienischen Juden eine vielfältige Tätigkeit. Die italienische Renaissance zeigte Interesse an der hebräischen Sprache und umgekehrt waren die dortigen Juden mit der höfischen Kultur gut vertraut. Es gab jüdische Tanzlehrer, Dichterinnen, wie Sara Copia Sullam (um 1590—1641), und sogar Komponisten, wie Salomone de' Rossi (um 1570—1630), der zur Entstehung der Gattung der Oper beitrug, aber auch den synagogalen Gesang auf zeitgenössisches Niveau heben wollte (»Die Lieder des Salomon«, Venedig 1622). Interessant ist auch, dass wir in Italien die ersten jüdischen Beerdigungsbruderschaften (Chewra Kadischa) antreffen, aus denen sich das differenzierte jüdische Fürsorgewesen entwickeln sollte. Erst die schärfere Haltung der Gegenreformation gegenüber Nichtkatholiken drängte die Juden in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts auch in Italien in Ghettos ab. Besonders rigoros verfuhr der Kirchenstaat, der mittelalterlichen Schikanen gegen die Juden wieder Geltung verschaffte.
 
 Juden im Osmanischen Reich
 
Im Osmanischen Reich wurde die schon lange vor der Invasion der Türken in Istanbul wohnende jüdische Bevölkerung (griechischsprachige »Romanioten« mit einem eigenen byzantinisch- jüdischen Ritus) von der Zuwanderung der spanischen Juden nach 1492/96 sehr beeinflusst. In Saloniki sprachen die spanisch-jüdischen Emigranten noch bis ins 20. Jahrhundert Ladino, ein mit hebräischen Wörtern durchmischtes Kastilianisch des 15. Jahrhunderts. Istanbul, Saloniki und İzmir waren die »Mutterstädte in Israel« im Osmanischen Reich. Doña Gracia Mendes-Nassí (1510—69), eine Fernhändlerin mit Sitz in Istanbul, versuchte sich 1556/57 gegen die päpstlichen Judenverfolgungen mit einem Handelsboykott von Häfen des Kirchenstaates zu wehren, doch ohne Erfolg. Mitte des 17. Jahrhunderts verwirrte ein Pseudomessias namens Sabbatai Zwi (1626—76) die Geister. Er trat zum Entsetzen der jüdischen Autoritäten im Jahr 1666 zum Islam über. Eine kleine Gruppe hielt ihm dennoch die Treue. Sie existierte bis ins 20. Jahrhundert. Die Juden formten wie alle nichtmuslimischen Minderheiten im osmanischen Reich eine ethnisch-religiöse Gruppe, ein Millet, dem weitgehende innere Autonomie zugesprochen wurde. Versuche, ein Oberrabbinat zu errichten, scheiterten im 16. Jahrhundert an innerjüdischen Widerständen. Zu stark war die autonome Tradition der einzelnen Gemeinden. Die Hoheit des Osmanischen Reiches erstreckte sich zu dieser Zeit bis nach Tunesien und Libyen. Man weiß mangels Quellen nur sehr wenig über die Lage der dortigen Juden in dieser Zeit. Europäische Reisende berichten im 17. und 18. Jahrhundert von willkürlichen Bedrückungen durch die lokalen Herrscher. Letzteres galt auch für das unabhängige Sultanat Marokko. Hier waren im Norden die ladinosprachigen Juden dominant, im Süden arabischsprachige. Ein jüdischer Aufklärer aus Mantua, Samuel Romanelli, verfasste Ende des 18. Jahrhunderts einen kritischen Reisebericht.
 
Obwohl nur wenige Juden im Palästina des 16. Jahrhunderts lebten, war neben Jerusalem die Stadt Safad oberhalb des Sees Genezareth ein geistiges Zentrum. Hier verfasste der Rechtsgelehrte Josef Karo (1488—1575) sein Werk »Schulchan Aruch« (Gedeckter Tisch), eine praktisch orientierte Zusammenfassung des jüdischen Rechts. Der oben erwähnte polnische Rabbiner Moses ben Israel Isserles verfasste einen ergänzenden Kommentar (Mappá, Tischtuch) dazu, der die Annahme des Werkes unter den aschkenasischen Juden förderte.
 
 Neue Entwicklungen im 18. Jahrhundert
 
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstand eine neue Bewegung im polnischen Judentum, der Chassidismus. Rabbiner Israel ben Eliezer, genannt Baal Schem Tov (Meister des guten Namens, um 1700—60), entwickelte sich zum sagenumwobenen Gründervater. Nun sollte der neue Typ des charismatischen Wunder-»Rebbe« eine Herausforderung für das Gemeindeestablishment darstellen. Mystisches Erleben und ekstatische Zusammenkünfte waren Merkmale dieser Form jüdischer Frömmigkeit. Die Chassidim wählten sogar eine andere Variante der Liturgie aus, die spanisch-jüdische, und bauten eine eigene Gemeindeinfrastruktur (z. B. eigene Schlachtereien) auf. Diese Bestrebungen traten in einen scharfen Gegensatz zur litauisch-jüdischen Gelehrsamkeit, wo allen voran der Gaon Elia aus Wilna (1720—97) die Chassidim mit scharfen Mitteln (Eheverbote, Bannflüche, Bücherverbrennungen) bekämpfte. Erst die Ausbreitung der Aufklärung unter den osteuropäischen Juden schwächte diese Gegensätze zu Beginn des 19. Jahrhunderts ab. Sie sind jedoch im orthodoxen jüdischen Milieu bis heute zu erkennen.
 
Etwas phasenverschoben zur Entstehung des Chassidismus bahnte sich eine andere Entwicklung in Deutschland an. Moses Mendelssohn (1729—86) aus Dessau erwarb sich autodidaktisch eine breite allgemeine Bildung, die weit über den Rahmen des unter deutschsprachigen Juden bisher Üblichen hinausging. Seine Aufsätze wurden vom christlichen Bildungsbürgertum geschätzt, und Mendelssohn wurde zum célèbre juif (gefeierten Juden) in Berlin. Aufklärerischer Kritik am Judentum hielt er 1783 sein Alterswerk »Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum« entgegen und erregte damit größte Aufmerksamkeit. Die Aufklärer begannen, die Theorien über die »Regeneration« der Gesellschaft nun auch auf die Juden anzuwenden. Der Gelehrte Christian Wilhelm Dohm (1751—1820) spielte 1781 in seiner bahnbrechenden Schrift »Über die bürgerliche Verbesserung der Juden« sogar mit dem Gedanken, den Juden Bürgerrechte zu erteilen. Es folgte eine aufgeregte Diskussion über die zukünftige Rechtsstellung der Juden.
 
Moses Mendelssohn gehörte zur schmalen städtischen Elite unter den deutschen Juden. Diese hatte sich vom 17. Jahrhundert an neu gebildet, als sich einige Dutzend jüdische Händler als Hoflieferanten (»Hoffaktoren«) betätigten und ihren Wohnsitz in den städtischen Residenzen nehmen durften. Die jüdischen »Hoffaktoren« verschafften sich oft mehr Rechte, als die übrigen Juden hatten. Dies unterhöhlte den althergebrachten Rechtsstatus der Juden, und so darf man diese »Hofjuden« bis zu einem gewissen Grad als Vorbereiter der späteren Emanzipation des 19. Jahrhunderts sehen. Eine interessante Quelle zur Familien-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte der jüdischen Mittelschicht bilden die Erinnerungen der Schmuckhändlerin Glückel von Hameln (1645—1724), die im norddeutschen Bereich tätig war. Die größte jüdische Stadtgemeinde in Deutschland im Jahr 1800 war Hamburg mit wohl an die 7000 Angehörigen. Allerdings blieben die ländlichen Juden bis lange nach der Aufklärung die dominante Gruppe unter den deutschen Juden.
 
In der Folge der spätestens seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert unterschiedlichen Entwicklung sollten sich die Juden des deutschsprachigen Raums von denjenigen Osteuropas stark unterscheiden. Sie entwickelten eine moderne jüdische Pädagogik, die »Wissenschaft des Judentums« (Judaistik), drei moderne religiöse Strömungen (liberal, konservativ, neo-orthodox), kämpften jahrzehntelang um ihre Gleichberechtigung und verbesserten die Stellung der jüdischen Frau.
 
Dr. Uri R. Kaufmann
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Zionismus: Die Ursprünge
 
Antisemitismus: Ein Deutungsversuch
 
 
Ashtor, Eliyahu: The Jews of Moslem Spain. Einführung von David Wasserstein. 2 Bände. Aus dem Hebräischen. Neuausgabe Philadelphia, Pa., u. a. 1992.
 Baer, Yitzhak: A history of the Jews in Christian Spain. 2 Bände. Aus dem Hebräischen. Neuausgabe Philadelphia, Pa., u. a. 1992.
 Baron, Salo Wittmayer: A social and religious history of the Jews. Band 2-18 und 2 Register-Bände New York 21952-93, teilweise Nachdruck.
 Battenberg, Friedrich: Das europäische Zeitalter der Juden. Zur Entwicklung einer Minderheit in der nichtjüdischen Umwelt Europas. 2 Bände. Darmstadt 1990.
 Dubnow, Simon: Weltgeschichte des jüdischen Volkes. Von seinen Uranfängen bis zur Gegenwart. Bände 3-7. Berlin 1926-28.
 
Geschichte des jüdischen Volkes, herausgegeben von Haim Hillel Ben-Sasson. Sonderausgabe München 31995.
 Graetz, Heinrich: Geschichte der Juden. Von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Band 4-11. Leipzig 2-41890-1909. Nachdruck Berlin 1996.
 Kisch, Guido: Forschungen zur Rechts- und Sozialgeschichte der Juden in Deutschland während des Mittelalters. Nebst Bibliographien. Sigmaringen 21978.
 Levy, Avigdor: The Sephardim in the Ottoman Empire. Princeton, N. J., 1992.
 Roth, Cecil: The History of the Jews of Italy. Philadelphia, Pa., 1946. Nachdruck Farnborough 1969.
 Sharf, Andrew: Byzantine jewry from Justinian to the fourth crusade. London 1971.
 Stemberger, Günter: Einleitung in Talmud und Midrasch. München 81992.
 
Wine, women, & death. Medieval Hebrew poems on the good life, herausgegeben von Raymond P. Scheindlin. Philadelphia, Pa., u. a. 1986.

Universal-Lexikon. 2012.

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